Gustav Neddenriep, Pastor in Prezelle 1917 - 1929

Entnommen aus:

„Erinnerungen aus meinem Leben“ / (abgeschlossen: Eimke, im Juni 1962)
von Gustav Neddenriep, Pastor i.R. ( geb. 16. I. 1881) mit seiner Ehefrau Bertha geb. Kothe ( geb. 8. I. 1885)

zur Verfügung gestellt von:

Dr. Christian Schütze, Baunatal

Sein Großvater schreibt in seinen Memoiren über 12 Jahre im Wendland

Abschnitt 2 - Prezelle.

"So waren wir nun wieder auf dem Boden der hannoverschen Landeskirche. Prezelle liegt im hannoverschen Wendland. Die Gemeinde gehörte damals zu dem Superintendenturbezirk Gartow ( a. El-be). Der damalige Superintendent des Bezirkes, Herr Superintendent Umland, kam mir schon in seinen ersten Zuschriften mit grosser Freundlichkeit entgegen. In einem Schreiben vom 11./4.1917 teilte er mir mit, dass das königliche Konsistorium ihn beauftragt habe, mich in das Pfarramt zu Prezelle einzuführen. Die Einführung wurde auf den Sonntag Jubilate, d. 29. April 1917, angesetzt. Die beiden Pastoren des Aufsichtsbezirkes Gartow, Pastor Petri - Holtorf und Pastor Pape - Trebel, wirkten bei der Einführung mit. Pastor Petri hielt die Eingangsliturgie, Pastor Pape die Predigt. Diese beiden Pastoren assistierten dann auch bei der Einführung. Ich selbst sollte die Schlussliturgie halten. So wurde dieser Sonntag Jubilate ein rechter Freudentag für mich und die Meinen.

Ich sollte nachher immer wieder erfahren, welch' ein herzliches Band alle Pastoren jenes Gartower Bezirkes umschloss; und dabei war der bestimmte Mittelpunkt unserer lieber Herr Superintendent. Das trat immer wieder hervor auf den Konferenzen in der Gartower Superintendentur. Da hatte denn der Superintendent seine Pastoren um sich, aus dem „Wendland“ die Pastoren von Prezelle und Trebel, aus den „Elbdörfern“ die Pastoren von Restorf, Holtorf-Capern und Schnackenburg. Die Konferenz war nur klein; aber vielleicht gerade deshalb brachte sie uns allen immer eine reiche Förderung. Im rührender Weise sorgte die liebe Frau Superintendent Umland für das leibliche Wohl, wie sie auch sonst, wenn jemand von uns Pastoren mal etwas Besonderes mit Herrn Superintendenten zu besprechen hatte, gewöhnlich ihren Kaffeetopf oder sonst etwas zur Hand hatte. Mein nächster Nachbar war Pastor Pape in Trebel, mit welchem ich, falls wir unsere Räder benutzten, auf der Hin- und Rückfahrt nach u. von Gartow den halben Weg, nämlich von Rondel aus, gemeinsam haben konnte. Auch um die beiderseitigen Familien schloss sich immer mehr ein enges Band. So teilten wir beiden Amtsbrüder uns auch gegenseitig das hl. Abendmahl aus, nachdem vorher im Kreis von Mitbeichtenden aus der Gemeinde der eine die Beichte und Absolution gehalten hatte, wären dann der amtierende Geistliche von dem anderen Geistlichen noch allein die Absolution erhielt.

So habe ich bei meinem Erzählen gleich den weiteren Kreis ins Auge gefasst, den Aufsichtsbezirk. Dabei darf aber nicht vergessen werden, was uns die gräfliche Familie auf dem Schlosse Gartow bedeutete. Wir waren alle Zeit im Schloss willkommen, so oft wir in Gartow waren. Der Weg von Prezelle nach Gartow über Rondel betrug c. 10 km. Wenn man auf dem Rade fuhr, dann wurde gewöhnlich dieser Weg genommen. Ein anderer Weg führte direkt durch lauter Föhrenwald; er war wohl 8 - 9 km lang. Zunächst etwa an 3 km Prezeller Bauernwald, im Anschluss daran nach Gartow hin Föhrenwaldungen des Herrn Grafen Günther von Bernstorff - Gartow, die dicht an Gartow hinanreichten. Dieser ganze Weg von Prezelle nach Gartow war etwa 9 km lang. Wie oft haben meine Frau und ich diesen Weg wohl zu Fuss gemacht, namentlich auch im Herbst und Winter, wenn in Gartow die Konferenzen waren! Da war es dann abends natürlich schon dunkel geworden. Das hinderte uns aber weiter nicht, da der Weg uns ja so vertraut war. Sobald wir dann näher an Prezelle herangekommen waren, schimmert es schon etwas hell durch den dunklen Wald hindurch. Das kam dann von dem hellen Sand, der die sogen. Kuhtrifft bedeckte, die von Prezelle aus nach dem Prezeller Moor führte und im Sommer von den Kühen benutzt wurde, wenn sie auf die Weiden im Moor getrieben wurden. Und dann pflegte auch bald ein Hundegebell von den Häusern her einzusetzen, die auf dem sogen. Sand errichtet waren. Die Pastorenmutter war im Gang schon immer schneller geworden in dem Gedanken, was bei der Rückkehr ins Pfarrhaus die kleinen Kinder wohl angeben möchten. Na, die Freude war gross, wenn die Eltern wieder da waren; oder aber - es konnte auch mal sein, dass alle Kinder sanft schliefen.

Prezelle war wirklich eine eigenartige Pfarrstelle, schon wegen der Abgelegenheit. Als es feststand, dass ich dorthin kommen sollte, schrieb mir u. a. auch der Vorvorgänger in dem Pfarramt dort, Herr Pastor Utermöhlen, damals in Bardowiek Pastor, in einem Briefe, wie schön es in Prezelle sein könnte mit der abschliessenden Bemerkung: „Sie werden dort
überhaupt viel erleben.“ Solche Bemerkung konnte einen schon gespannt machen. Wenn ich nur eines erwähnen wollte, was uns oft in Spannung gesetzt hat: Feuer! Da haben wir einmal Grossfeuer in den gräflichen Waldungen erlebt, welches mehrere Tage und Nächte anhielt; daneben gab es auch Hausbrände. Welche Nahrung hatte solch ein Feuer z. B. in einem alten Strohdachhaus! Doch damit kommen wir nun zu dem eigentlichen Pfarrbezirk Prezelle.

Der Pfarrbezirk Prezelle.

Ja, wir sprechen da am besten von einem Pfarrbezirk. Denn, kirchlich gesehen, handelte es sich eigentlich um mehrere Gemeinden, die mehr selbstständig nebeneinander standen. In dem Bezirk gab es auch drei Gotteshäuser, die Mutterkirche im Prezelle, die sogen. Mater combinata in Lanze, die Kapelle in Lomitz. So hatte man für die Regelung des kirchlichen Lebens auch drei Vorstände: den Kirchenvorstand von Prezelle, den Kirchenvorstand von Lanze, den Kapellenvorstand von Lomitz. In den Vorständen von Prezelle und Lomitz war je ein Vertreter des Herrn Graf von Bernstorff - Gartow, in dem Vorstand von Lanze ein Vertreter des Herrn von Platow auf Grabow. Also auch für Lanze gab es einen Kirchenpatron, aber bei Pfarrbesetzungen hatte wohl Herr Graf von Bernstorff - Gartow die ausschlaggebende oder gar die alleinige Stimme.

Es waren also den gottesdienstlichen Räumen gemäss drei Predigtstätten zu bedienen. Der Pastor hatte sonntäglich zwei Gottesdienste zu halten, den ersten um 9 Uhr in der Kirche zu Prezelle, den zweiten um 11 Uhr abwechselnd in Lanze oder Lomitz. Nachmittags war in Prezelle Kinderlehre für die Kinder aus Prezelle und Lomitz, während die Kinderlehre in Lanze für die Ortschaften Lanze und Gross-Breese der Lehrer von Lanze hielt. Der Konfirmandenunterricht wurde für die Kinder aller Ortschaften gemeinsam in Prezelle gehalten. An den ersten Festtagen war gemeinsamer Gottesdienst in Prezelle, an den zweiten Festtagen daneben immer Gottesdienst in Lanze; der Sonntag nach den Festen gehörte mit dem zweiten Gottesdienst immer Lomitz. Dieser ganzen Einrichtung entsprechend gab es natürlich auch drei Friedhöfe, nämlich in Prezelle, in Lanze, in Lomitz. Zu den Gottesdiensten in Lanze konnte der Pastor sich ein Fuhrwerk bestellen, welches durch eine Lieferung von Hafergarben von Seiten der Bauern aus dem Kirchenbezirk Lanze abgegolten wurde.

Dabei will ich gleich bemerken, dass zur Aufbringung des Pfarrgehaltes zu meiner Zeit von den Bauern der ganzen Pfarrgemeinde noch je zwei Stiege 4 Garben Roggen geliefert wurden. Die Garben wurden von den einzelnen Ortschaften aus zusammengefahren und dann abgedroschen. Das war in der Inflationszeit ( 1920 u. folgende Jahre) {für den Pastoren}
eine willkommene Hülfe für die Aufrechterhaltung seines Hausstandes. Es war vielen Gemeindegliedern offenbar ein Anliegen, ihren Pastoren auch äusserlich mit durchzuhelfen.

Die Seelenzahl der Gesamtgemeinde bewegte sich so um 950, die Gesamtgemeinde war also verhältnismässig klein, aber durch die Verteilung des Dienstes nach den drei Seiten hin war man doch genug in Anspruch genommen, namentlich auch an Sonntagen.

Ueber die äusserlichen Lebensverhältnisse in den 4 Ortschaften, zu denen übrigens auch noch der Forstort Wirl ( gräfliches Besitztum) gehörte, wäre manches zu berichten. In allen Dörfern des Pfarrbezirkes war der Beruf: Landwirtschaft! Da gab es aber natürlich Unterschiede zwischen den einzelnen Betrieben. Da gab es Bauer mit verschieden grossem Grundbesitz; daneben gab es kleinere Betriebe in den Anbauer- oder Abbauerstellen. Für die kleineren Betriebe ergab sich die Notwendigkeit, dass nach Nebenverdienst Ausschau gehalten wurde. Namentlich aus den Ortschaften Prezelle, Lomitz und Wirl fanden Männer Arbeit in der gräfliche Forst, sei es nun, dass es sich im Winter um Abholzung oder Aufforstung handelte und im Frühling etwa um Neuanpflanzung. Im Frühling, Sommer und Herbst blieb dann Zeit genug, dass die kleine Landwirtschaft besorgt werden konnte. Wenn sonst die Männer ausserhalb der eigenen Wirtschaft auf Arbeit gingen, dann besorgten die Frauen unter Mithilfe etwa von Kindern die erforderlichen Arbeiten im Haus und auf dem Feld.

Wenn ich da die Kinder erwähne, so bot sich in jener Gegend durchweg ein besonderes Bild: Kinderreiche Familien gab es wenige. Es gab viele Ehepaare mit nur einem oder zwei Kindern; es gab natürlich in einer Familie auch mal drei Kinder. Da man die Kinder zur Mithilfe, besonders aber zum Hüten der Kühe auf den Bauernhöfen nicht entbehren mochte, so hatte zu meiner Zeit sich ergeben, dass viele Bauernfamilien sich um einen Fürsorgejungen als Hütejungen bemüht hatten. Diese Jungen wurden durch die Fürsorgeanstalt in Gross-Burgwedel vermittelt; und dem Pastoren war die Aufsicht über sie übertragen. In grösseren Abständen wurden diese Kinder dann mal von jener Fürsorgeanstalt aus besucht. Der Vorsteher jener Anstalt war Pastor Wolff. So kam dieser um die Herbstzeit einmal selbst, um die Zöglinge in den einzelnen Häusern zu besuchen und dabei das Nötige mit den Pflegeeltern jener Kinder und dem Pastoren über Erziehung und Beaufsichtigung zu bereden. Pastor Wolff hatte dieses Mal auch noch einen Kandidaten mitgebracht, um denselben auf diese Weise in die Fürsorgearbeit einzuführen.

Als wir drei den {Weg} von Lomitz nach Prezelle um eine Abendzeit zurücklegten, fiel uns auf einmal ein heller Schein auf, der von Westen her zu uns herüberleuchtete. War dort ein Feuer? Ja, es war so. Denn als wir ins Pfarrhaus kamen, da wurde gerade von der öffentlichen Fernsprechstelle her die Nachricht gebracht, in dem Orte Lanze sei ein grosses Feuer. Da gab es kein Besinnen für uns. Pastor Wolff blieb freilich zurück; aber mit jenem Kandidaten machte ich mich sofort auf {nach} Lanze zu. Ich meine, wir mussten sogar zu Fuss gehen (5 km). Es ging zunächst durch Prezeller Feld, dann durch Wald, endlich durch Lanzer Feld. Als wir vor Lanze durch die Felder die Landstrasse entlang gingen, wogte es in den Rübenfeldern; es waren Viehherden, die wohl einfach aus den Ställen ins Feld gejagt waren. Und dann vor uns das brennende Dorf! Mein Begleiter sagte, so etwas habe er nur im Kriege gesehen.

Lanze hat zum Glück eine sehr breite Dorfstrasse, sodass man zwischen den Feuern auf beiden Seiten der Strasse gehen konnte. Ich steuerte auf ein Gehöft zu, von dessen Besitzer und Besitzerin ich wusste, dass sie auswärts eine Hochzeit mitzumachen hatten. So war denn die Mutter jenes Hauses mit einem Knecht oder einem Mädchen offenbar allein zuhause. Damit wir gleich unter dem richtigen Eindruck stehen, will ich vorweg bemerken, dass in jener Nacht in Lanze 4 Wohnhäuser, 12 Scheunen, 16 Nebengebäude ein Raub der Flammen wurden. Auf dem Hofe, den ich betreten hatte, brannte die Scheune. Das Wohnhaus, zu welchem von der Scheune her Funken herüberflogen, war natürlich sehr gefährdet. Wir waren auf den Boden gestiegen, auf welchem reichlich Heu und Stroh gelagert war. Die Fenster, welche nach der Scheune hin waren, mussten natürlich fest geschlossen gehalten werden, damit keine Funken in die Heu- und Strohmassen fielen. Dann aber sah ich, wie ein Fensterrahmen Feuer gefangen hatte. Da Wasser knapp, jedenfalls nicht gleich zur Hand war, ergriff ich eine dort eben stehende Kanne mit Milch, suchte die Glut an dem verkohlenden Fensterrahmen zu löschen, was denn auch gelang. Jedenfalls blieb das Haus erhalten, und als uns die grösste Gefahr für ein Weitergreifen des Feuers auf jenem Hof vorüber war, sah man wohl auf die Strasse und die Strasse nach beiden Richtungen hin entlang.

Da traten einem erschütternde Bilder entgegen. An jenem Tag war einmal grosser Markt in Salzwedel, andererseits gleichfalls an jenem Tage die sogen. „Hengstparade“ in Celle. Celle hatte an einem solchen Tage eine Anziehungskraft für Pferdebesitzer (Bauern), Salzwedel auch sonst allgemein. So kamen mitten in jener Nacht Gespanne in den Ort gejagt, die nun Bewohner von brennenden Häusern oder Besitzer von brennenden Scheunen herzubrachten. Da sah man in die entsetzten Gesichter, die von dem Feuerschein im ganzen Ort hell erleuchtet waren. Da sah ich einen Bauern vor seinem brennenden Hause stehen, er hatte auf dem Markt in Salzwedel offenbar einige kleine Spielsachen für seine Kinder erstanden, die er so in der Hand hielt. Ein eigenartig wirkendes Bild: Die ganze Wohnstätte für ihn und seine Familie ein Raub der Flammen, und daneben ein wenig Spielzeug für die Kinder, mit dem der Vater bei seiner Rückkehr die Kinder erfreuen wollte!

Welch einen Schaden hatte jene Feuersbrunst über Nacht über den Ort Lanze gebracht, ja, auch direkte Not! Viele hatten in ihren neuen Scheunen eine reiche Ernte bergen können, und nun standen sie vor der direkten Not, {kein} Brotkorn für die Familie zu haben, kein Futter für das Vieh! Nun galt es, Nerven zu behalten und schnell zu handeln. Auch im Kirchenvorstande wurde umgehend über drängende Massnahmen verhandelt. Einzeln oder meist auch zu zweien trug man die Bitte um Hülfe an die Gemeindevorsteher der Dörfer in den benachbarten Kirchspielen Trebel, Predöhl, Woltersdorf heran; und überall fand man willige Zusage. Und so haben denn jene Dörfer in verabredeten Abständen Korn, Stroh, Heu und Sonstiges herangefahren, sodass die betroffenen Familien mit ihrem Vieh durch den Winter kamen. Und dann ging es alsbald ans Abräumen auf den Trümmerstätten und an Vorbereitung zum Wiederaufbau. Ich meine, dass dann im Laufe des folgenden Sommers die meisten Gebäude wiederhergerichtet worden seien. Hindernd hinzu kam damals noch die steigende Geldentwertung mit der drohenden Inflation.

Ob über die Entstehung jenes gewaltigen Dorfbrandes damals oder im Laufe der Zeit volle Klarheit geschaffen worden ist, weiss ich nicht einmal. Das Feuer hatte in der Scheune des Gastwirts Seisselberg seinen Anfang genommen, in welcher an jenem Tage des Beginnes des Brandes an elektrischen Werken gearbeitet worden war. Ob von den Arbeitern etwa geraucht worden war? Bei solchen Gelegenheiten tauchen dann wohl verschiedene Vermutungen auf; jedenfalls ist bei mir über diese Frage nichts Festes haften geblieben.

Jedenfalls war dieses Ganze ein besonderes Erlebnis in meiner Amtszeit im Pfarrbezirk Prezelle. Was man sonst noch hie und da mit Personen oder Familien in jener wendländischen Gemeinde durchgemacht hat, das kann man in diesem Zusammenhange nicht alles erwähnen. Mein Vorvorgänger hatte aber recht mit seiner mir vorweg geschriebenen Bemerkung: „Sie werden dort überhaupt viel erleben.“ Ueber wendische Bevölkerung sind hie und da wohl in manchen Punkten, besonders z.B. betreffend Brände, belastende Urteile gefällt worden. Gelegentlich konnten solche Urteile durch Aeusserungen aus der Mitte der wendischen Bevölkerung selbst heraus wohl gestärkt werden. So hatte meine Frau, als an einem Abend in Prezelle Feuerschein von Lomitz her beobachtet wurde, aus dem Munde einer Prezellerin die Aeusserung vernommen: „Ick wet nich, wat de Lü dor ümmer to peiskern hebt“. Oder mir selbst wurde - ich meine, es war am anderen Tage - auf meine Frage hin, wie das Feuer angegangen sei, von einem Manne aus Lomitz kurz und bezeichnend geantwortet: „selbst!“ -

Doch hatten wir in Prezelle einmal einen Hausbrand, der von einer Tochter einer von anderswoher zugezogenen Familie auf ganz raffinierte Weise angelegt war. Der Vater war verreist, das Haus war verschlossen, die im Orte bedienstete Tochter hatte den Hausschlüssel in Verwahrung. Da sollte der Brand so vorbereitet gewesen sein, indem vom Hausflur über die Bodentreppe hinauf auf den Boden Strohgarben gestellt waren. So hätte jenes Mädchen die Garben auf den Flur nur anzuzünden brauchen, dann würde das Feuer schon schnell auf den Boden laufen, wo es dann Nahrung in reichem Masse finden würde. Das Mädchen brauchte also nur eben das Haus aufzuschliessen, das Feuer im Flur anzulegen und konnte dann das Haus wieder abschliessen und in das Haus ihrer Dienstherrschaft zurückzueilen, wo man sie dann in der Küche, gemächlich beschäftigt, gefunden habe.

Da wir nun einmal bei Gelegenheiten sind, die das äusserliche Leben betreffen, so möchte ich noch von einigen „Plagen“ berichten, die wir in den Jahren unseres Dortseins miterlebt haben. Da hatte die Gegend um Gartow im Frühsommer eines Jahres Hochwasser von der Elbe her. Da waren ringsum die Wiesen überschwemmt, im gräfliche Garten hätte man Kahnfahrten machen können; in der Nähe von Dannenberg konnte ich persönlich beobachten, wie z.B. auf einem grossen Roggenfeld nur noch die Aehren aus dem Wasser herausragten. Jene Ueberschwemmung sollte mit der Schneeschmelze am Oberlauf der Elbe zusammenhängen. Ich dachte zunächst, die Wasser würden sich nach einigen Tagen verlaufen haben; aber - nein: die Wasser standen wohl an die 4 Wochen, sodass das Gras auf den Wiesen verdorben war, als die Wasser sich schliesslich verlaufen hatten.

Da wir in Prezelle „auf dem Sande“ wohnten, so dachte man, so etwas, wie da in Gartow eingetreten war, könne in Prezelle nicht vorkom-men. Doch gleich im folgenden Jahre sollten auch wir, gerade in Prezelle etwas von Wassersnot spüren. Wohl schon bei seinem ersten Besuch in Prezelle war es meinem Vater aufgefallen, dass er hie und da mitten durch die Ländereien einen tiefen Graben gezogen fand; und so meinte er denn, man könne dort auch wohl mal Not von Wasser haben. Und so zeigte es sich denn in jenem Jahre, dass vom Frühjahr an und dann den Sommer hindurch das Grundwasser in den Aeckern sehr hoch stand. Nach jedem etwas stärkeren Regenschauer fand man die Furchen in den Kornfeldern mit Wasser angefüllt. Bei den Kartoffelfeldern hatte man gleich bei der Bestellung schon Vorsorge getroffen, dass der Boden nach den Furchen hin abfiel, und an niedrigen Stellen bleiben in jenem Jahre die Kartoffeln auch sehr klein. Wenn die Kinder auf unserm Feldgarten mal Erbsen pflücken sollten, mussten sie das barfuss besorgen, da die Stiefel und Strümpfe sofort völlig durchnässt gewesen wären.

In einem weiteren Jahre hatten wir eine Raupenplage. Da waren die ersten Blätter im Frühling von allen Bäumen, die nicht etwa durch Leimringe gesichert waren, alsbald restlos verschwunden. Der grosse Eichenkamp mitten im Dorfe stand wie ausgebrannt dar. Die grosse Hecke um den Garten unseres Nachbarn, die wohl „lebig Tun“ genannt wurde, war nun
wirklich „lebig Tun“ geworden, indem sie von Raupen wimmelte, die in kurzem alles Grün von der Hecke abgefressen hatten. Durch guten Rat und Behilflichkeit durch den lieben Wegemeister Rüscher in Gartow hatten wir unsere Obstbäume rechtzeitig durch Leimringe geschützt. Wo das nicht geschehen war, dort gab es in dem Jahr kein Obst. Als alles Grün im Dorfe fortgefressen war, da waren auch die Raupen plötzlich verschwunden. Die Eichen wurden durch den zweiten Trieb um die Pfingstzeit wieder grün.

War {es} in dem gleichen Jahre oder in einem anderen, ich weiss es nicht mehr, da gab es auch mal eine Mückenplage. Wenn man nach draussen ging, konnte man nur immer gleich mit den Armen um sich schlagen oder ständig mit einem grünen Zweig den Kopf bewedeln. - Doch nun genug von den Dingen des äusserlichen Lebens, so weit es die Allgemein-heit betraf.

Das kirchliche Leben.

Über den äusserlichen Rahmen des kirchlichen Lebens hatte ich schon in dem vorigen Abschnitt die nötigen Bemerkungen gemacht. Wenn die einzelnen Dörfer des Kirchspiels ihre eigenen Gotteshäuser hatten, so lag darin für die Bewohner der Dörfer an sich schon eine gewisse Verpflichtung. Die Familien hatten auch ihre bestimmten Plätze in den Gotteshäusern. Welchem Zweck sollten die Gotteshäuser in den Dörfern und die auf die verschiedenen Familien verteilten Plätze in den Gotteshäusern dienen? Die Gotteshäuser mussten benutzt, die Plätze besetzt werden. So gab es eine gewisse Ordnung auch im Gottesdienstbesuch. In der Hauptkirche in Prezelle war an jedem Sonntag Gottesdienst, in der Kirche in Lanze und der Kapelle in Lomitz alle 14 Tage. Wenn ich anfänglich wohl gedacht hatte, die Lanzer und Lomitzer würden an den für sie predigt-freien Sonntagen den Gottesdienst in Prezelle besuchen, so hatte ich mich darin doch getäuscht; sie wahrten für ihren Gottesdienstbesuch die für ihre Ortschaften vorgesehenen Sonntage, nur am Abend vor Weihnachten und an den ersten Festtagen kamen Gottesdienstbesucher aus allen Ortschaften in die Kirche von Prezelle. Besondere Feiern wie z.B. Missionsfeste einten natürlich die Glieder der Gesamtgemeinde. Im ganzen kann man wohl sagen, dass die Frömmigkeit doch zum Leben hinzugehörte.

Wie innig und tief Kirchlichkeit und Gebetsleben in den einzelnen Häusern gingen, darüber wird man sich ja eigentlich niemals ein massgebliches Urteil erlauben mögen. Der Pastor fand bei seinen Besuchen in den einzelnen Häusern eigentlich überall herzliches Entgegenkommen. Das direkte Interesse für das kirchliche Leben in der Allgemeinheit war natürlich abgestuft. So sagte mir einmal ein Bauer in der Frühlingszeit etwa so: Herr Pastor, es beginnt jetzt die arbeitsreiche Zeit; sagen Sie in der Kirche, die Leute sollten an Sonntagen die Arbeiten unterlassen. Die Geteiltheit im kirchlichen Leben konnte einem nach besonderen Richtungen hin etwas hemmend erscheinen. War z.B. die Jugend zu besonderer Arbeit an ihr aus allen Dörfern etwa in dem Kirchdorf zusammenzubringen? Doch konnten wir aus den Dörfern Prezelle und Lomitz eines Tages einen schönen 3-stimmigen Mädchenchor zusammenbringen. Ebenfalls war für die Gesamtgemeinde ein Posaunenchor vorhanden.

In diesem Zusammenhange möchte ich nun noch einen besonderen Punkt bezüglich des kirchlichen Lebens in den Gemeinden unserer hannoverschen Landeskirche erwähnen. In der gegenwärtigen Zeit, da gut vier Jahrzehnte nach meinem Amtsantritt in Prezelle abgelaufen sind, wird auch im Rahmen der hannoverschen Landeskirche von verschiedenen Seiten her betont, der Pastor könne die Arbeit in den Gemeinden auch bei etwaiger Unterstützung durch einen Diakon oder eine Gemeindehelferin nicht mehr allein schaffen, es müssten Gemeindeglieder an Gemeindegliedern arbeiten. Dieser Gedanke hat sich auf dem Boden der hannoverschen Landeskirche nur sehr langsam eingebürgert. Mir persönlich war dieser Gedanke schon von meiner Studentenzeit her nahe gebracht worden, wie früher schon einmal erwähnt wurde. Während meiner Hülfspredigerzeit in hannoverschen Gemeinden kam ich, wie ebenfalls erwähnt, in einen kleinen Kreis von Pastoren hinein, die von diesem Gedanken erfasst waren.

In vorgeschrittenerem Maße trat mir dies dann auf dem Boden der holsteinschen Landeskirche entgegen gleichsam als Damm gegen die dort weithin herrschende Unkirchlichkeit. Der religiösen Kälte stand dort in kleineren Kreisen eine entschieden christliche Haltung und Betätigung gegenüber. Und das war keineswegs etwa eine geflissentliche Abrückung von der Landeskirche, sondern man hatte ausdrücklich den Ausdruck geprägt: „Landeskirchliche Gemeinschaft“. Dies waren direkt oft Lebenszentren in sonst unkirchlichen Gegenden. Von diesen ging Bedienung der Gemeinden durch Abhaltung von Evangelisationen oder „Missionsfesten“, wie man etwa auch sagte, aus. Das war das, was man in Nordschleswig wohl auch „Innere Mission“ nannte. Gerade in diesem Sinne arbeiteten damals in den schleswig-holsteinschen Gemeinden auch Männer, die in der Leitung der Breklumer Heidenmissionsanstalt arbeiteten. Ich habe oftmals in meinem Leben zurückdenken müssen an Männer wie Bahnsen, Bracker, Lucht, Pohl u. andere. Von dieser Art fand ich damals auch etwas in dem gräflichen Hause von Bernstorff - Gartow. Namentlich war es Frau Gräfin, die eine solche Betätigung übte und liebte. Für mich war es eine besondere Freude, wenn ich hie und da an einem solchen kleineren Fest in Gartow teilnehmen oder auch mitwirken konnte durch Dienst mit dem Wort. So sprang dann hie und da auch ein Funke über in die Gemeinde Prezelle.

Einige Züge aus dem Familienleben.

Hier hätte die Mutter des Pfarrhauses an manchen Stellen vielleicht besser berichten können als ich; aber man mag sich auch nach dieser Seite des Lebens hin mit meinen Erinnerungen begnügen. Am 29. April 1917, wie früher schon bemerkt, wurde ich als Pastor in Prezelle eingeführt. Mit zwei kleinen muntern Mädchen ( 3jährig und etwa 1½ jähhrig) waren wir in das Prezeller Pfarrhaus eingezogen. Gleich im ersten Jahre unseres Aufenthaltes dort vergrösserte sich der Familienkreis. Am 28. Juni 1917 durfte meine liebe Frau in der Hebammenlehranstalt in Celle den fröhliche Anblick eines gesunden Sohnes erleben. Die Freude schlug dann nach Prezelle hinüber. Wir waren sehr dankbar. Ich dürfte nur nicht gleich daran denken, dass der Erdenweg dieses kleinen lieben Jungen nun schon seit geraumer Zeit wieder zuende gegangen war ( Mai 1940). Die Mutter durfte dann nach den üblichen Tagen Celle verlassen und mit dem kleinen Jungen in das Prezeller Pfarrhaus einziehen. Die Freude war gross, besonders auch bei den beiden kleinen Mädchen.

Ich will hier nicht unerwähnt lassen, dass bei solchen Gelegenheiten für meine liebe Frau deren Schwester Ella, die damals noch ledig bei ihren Eltern in Scharnebecksmühle wohnte, stets eine ganz treue Hülfe war nach den verschiedensten Richtungen hin. ( Haushalt – Pflege der Kinder wie der Mutter der Kinder).

In diesem Zusammenhange will ich nun gleich noch einen weiteren Zuwachs in der Familie erwähnen: Am 26. September 1920 kam zu den bisherigen 3 Kindern ein Knabenzwillingspaar hinzu. Es war an einem Sonntag; ich hatte für den Herrn Superintendenten Umland in Gartow daselbst den Vormittagsgottesdienst zu halten. Auf der Hinfahrt bestellte ich schon unsern Hausarzt, Herrn Dr. med. Fraessdorf in Gartow. Als ich mittags aus Gartow zurückkehrte, war noch alles unverändert. Am Nachmittag wurden dann die Zwillinge geboren, der eine um ½ 4 Uhr, der andere um 5 Uhr. Die beiden Mädchen verteilten dann gleich die beiden Jungens unter sich. Elisabeth wählte als ältestes Mädchen den ältesten Jungen, Lydia als das jüngere den jüngsten. Und – was blieb dann für den fast drei jährigen Traugott? Er sagte: „Und ich nehm‘ die Tatze ( Katze)“.

Hier war nun mal wieder eine größere Pause eingetreten in der Niederschrift meiner Erinnerungen. Wie lange, das weiss ich garnicht. Heute haben wir Sonnabend, den 20. Sept. 1958. Fast drei Jahre sind darüber verflossen, seitdem ich mit diesen „Erinnerungen“ begann. Seit Mai 1952 leben meine Frau und ich im Ruhestand im Pfarrhaus zu Eimke ( Kreis: Uelzen), wo unser Sohn Joachim, einer von den soeben erwähnten Zwillingen, seit etwa 9 Jahren Pastor ist. Seit dem Augenblick, bei welchem ich in dem Bericht über die Prezeller Zeit stehen geblieben war, hatte sich natürlich manches ereignet. Doch wir wollen zurückeilen in jene frühere Zeit.

Als unsere Zwillinge etwa zwei Monate alt waren, bekamen sie Stickhusten, mit welchem die anderen drei Kinder sich schon vorher abgeplagt hatten. Bei den Zwillingen wurde dieser Husten so schlimm, dass wir gegen Weihnachten des Jahres 1920 bei den ganz schlimmen Hustenanfällen bald bei dem einen, bald bei dem anderen unter dem Eindruck standen, es würde der Tod eintreten. Gott der Herr gab, dass sie die schlimmsten Anfälle immer wieder überstanden; doch reichten diese weit in das Jahr 1921 hinein. Den August über des Jahres reiste die Mutter der Zwillinge mit diesen nach Celle, wo freundliche Aufnahme in dem Hause der jüngsten Schwester Adele Danckwerts geb. Kothe gewährt wurde. Diese Schwester war kinderlos, lebte mit ihrem Manne Edmund Danckwerts allein in dem Hause, abgesehen von einer einzelnen Frau im ersten Stock. Es war ein wunderbarer sonniger Augustmonat; die Kinder konnten den ganzen Tag über draussen liegen. Als die Kinder wohl nach Verlauf eines vollen Monats nach Prezelle zurückkamen, stand man unter dem Eindruck, dass die Krankheit mit Gottes Hülfe überstanden war.

So wuchsen alle 5 Kinder in der herrlichen Freiheit jenes wendländischen Dorfes heran. Nöte bezügliche der Ernährung der Familie haben wir in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg 1914 – 1918 kaum empfunden. Als wir im Frühling 1917 nach Prezelle kamen, hatte ich mir bei der Uebernahme der Pfarrstelle ausser dem Garten auch etwa 4 Morgen Land vorbehalten. Das war der sogen. „Feldgarten“, auf welchem wir neben Kartoffeln und Gemüse auch Korn, besonders Roggen, ernten konnten. Einen Teil hatten wir auch in Weide gelegt, auf welcher sich nacheinander Ziegen, Schafe, später auch eine Kuh und ein Pferd gütlich tun konnte.

So waren wir denn auf einer richtigen Landpfarre. Auch Schweinehaltung war dabei, soweit wir Bedarf hatten. Wo hätten wir bei der immer mehr zunehmenden Geldentwertung in den Jahren 1922 - 1923 auch bleiben sollen, wenn wir nicht selbst etwas Landwirtschaft betrieben hätten? Dazu hatten wir einige sehr nette Berater und Helfer im Dorf; „Sand-Schultz“ und „Hoppen Hermann“; der erste hatte mich oft gefahren, sei es nun zu dem alle 14 Tage abzuhaltenden Gottesdienst in Lanze, sei es zu dem nächsten Bahnhof Schmarsau, ausserdem bestellte er meinen Acker, der zweite besorgte z. B. das Mähen von Gras und das Einholen von Heu, das Mähen und Einholen von Getreide. Nicht zu vergessen sind auch die beiden damals schon Alten: „Hoppen Vater“ und „Beyers Vater“, die vor allem das Holzhacken besorgten.

Eine besondere Freude war es, wenn manchmal eine Ausfahrt mit den Kindern gemacht wurde, nachdem der als dreijährig gekaufte Fuchs „Vulpex“ eingefahren war; denn das hatte zuerst noch seine Mucken Manches werden unsere Kinder noch selbst wissen von dem, was sie in ihren Kinderjahren in Prezelle erlebt haben.

Alle 5 Kinder besuchten zunächst die Dorfschule in Prezelle. Doch die beiden ältesten Mädchen, Elisabeth und Lydia, wurden etwa im Alter von 10 Jahren auf die Privatschule in Gartow gegeben. Für beide bot sich eine ganz liebevolle Aufnahme. Frau Gräfin Eleonore von Bernstorff, die kinderlos geblieben war, aber für die Kinder immer eine grosse Zuneigung bewies, bat, Elisabeth ins Schloss aufnehmen zu dürfen, was wir gern und mit grossem Dank gewährten, Lydia kam zunächst in die Familie eines Bäcker „Buhr“, zusammen mit einer Tochter unseres lieben Nachbarn im Pfarramt Trebel; alsbald wurden dann beide zusammen von unserem lieben Superintendenten - Ehepaar Umland in die Superintendentur in Gartow aufgenommen. So wussten wir dort beide Mädchen in sicherer Obhut. Am Wochenschluss wurden beide, oftmals von ihrer Mutter, per Pferdewagen von Gartow nach Prezelle geholt, am Montag früh eigentlich immer von mir wieder nach Gartow gefahren.

Ja, das ist mir in der Erinnerung nun fast wie eine romantische Zeit. Als nun aber der älteste von unseren 3 Söhnen an die 12 Jahre geworden war, tauchte von selbst die Frage auf, wie es nun mit der Beschulung dieses wie der beiden anderen Jungen werden solle. Ich hatte angefangen, den ältesten Sohn Traugott auf das Gymnasium vorzubereiten; und für die Zwillinge Joachim und Gerhard würde dann die Zeit ja auch alsbald herankommen, dass sie eine höhere Schule würden besuchen müssen. So sah ich mich genötigt, mich nach einer Pfarrstelle umzusehen, von welcher aus alle 5 Kinder höhere Schulen würden besuchen können.

Als deshalb am Ende des Jahres 1928 u.a. die Pfarrstelle Uetze ( Kreis: Burgdorf) frei geworden war, da fiel mein Blick auf diese Pfarrstelle. Unter dem 31. Oktober 1928 erfolgte dann meine Bewerbung um diese Pfarrstelle bei dem Herrn Patron, Herrn Baron von Lüneburg in Wathlingen. Daraufhin nahm alsbald Herr Baron von Lüneburg an einem Gottesdienst in Prezelle teilt und eröffnete mir nach dem Gottesdienst, dass er die Absicht habe, mich für Uetze zu präsentieren. Die Präsentation erfolgte dann auch alsbald. Auf den 27. Januar 1929 ( Sonntag Septuagesimae) wurde dann die Aufstellungspredigt angesetzt, die über die Epistel jenes Sonntages ( 1. Corinth. 9, 24 - 27) gehalten wurde. Einspruch erfolgte nicht. So konnte gleich nach Ostern die Einführung erfolgen.

Der Abschied von Prezelle wurde uns nicht leicht, aber es wurde wohl allgemein auch in der Gemeinde eingesehen, dass um der günstigeren Beschulung der Kinder Willen ein Wechsel des Wohnortes gesucht war. Im Rückblick auf die ganze Zeit möchte ich zum Schluss doch noch einige Linien des Lebens in der Gemeinde Prezelle hervorheben. Wir mussten nachher öfter davon sprechen, wie meine Frau eigentlich während der ganzen Zeit in ihrem hauswirtschaftlichen Schaffen stets ganz nette in jungen Mädchen zur Hülfe gehabt hatte. Es waren gewöhnlich immer 2 Mädchen zusammen dort, wie als Haustöchter mit ihr zusammen alle Arbeiten im Haus, Garten und Feld verrichteten. Unter diesen befanden sich u. a. auch zwei Nichten meiner Verwandtenlinie, nämlich: Erna Hohls aus Bergen bei Celle, Tochter meiner ältesten Schwester, später verehelichten Thiess in Altenhagen, und Adele Lindhorst, Tochter meiner Schwester Frieda, später verehelichten Avenriep in Holtem bei Soltau.

Eine andere Linie der Erinnerung betrifft die Patronatsfamilie von Bernstorff - Gartow, von welcher schon früher die Rede war. Als wir vor kurzem auf Einladung hin auf dem Schloss in Gartow einen Besuch machten, führte uns u. a. die jetzt dem Hause Gartow vorstehende Frau Gräfin von Bernstorff geb. von Dingslage (Witwe) an die Ruhestätte der Glieder der von Bernstorffschen Familie - Gartow in dem sogen. „Kirchgarten“, welcher mit diesem Teile ganz dicht an der Kirche liegt. Da las man einmal die Namen der uns so vertraut gewordenen Persönlichkeiten

Eleonore Grfn. Bernstorff, geb. 15. 9. 1869 + 27. 7. 1935

Günter Grf Bernstorff geb. 14. 5.1864 + 10. 4. 1937

Andreas Gottlieb Grf Bernstorff geb. 26. 1. 1867 + 5. 12. 1956.

Dazu Kindergräber aus der Familie Andreas Gottlieb von Bernstorff. Von den Kindern aus dieser Familie waren nur 2 Töchter übrig geblieben, die beide verheiratet waren. Als Erben der gräflichen Güter hatte der älteste Sohn ein Zwillingsknabenpaar hinterlassen, welches, jetzt 15 jährig, in einem Internat gegenwärtig die Schulbildung erhält.

Über das kirchliche Leben damals in der Kirchengemeinde Prezelle möchte ich schliesslich noch einige Sätze aus dem Antwortschreiben des damaligen Herrn Generalsuperintendenten Lic. Steinmetz von Stade hierher setzen: „Die ausführlichen Antworten auf die Visitationsfragen und der sorgfältige Bericht mit den eingehenden Verhandlungsniederschriften zeigen, mit welchem Ernst Herr Amtsbruder Neddenriep sein Amt führt. Dass der Kirchenvorstand ihm dabei so verständnisvoll zur Seite steht, wird ihm sein Amt ebenso erleichtern, wie die kirchliche Haltung der Gemeinde, von der zu meiner Freude berichtet werden kann, dass es doch in manchen Stellen vorwärts gegangen ist. Das lässt hoffen, dass es auch weiterhin vorwärts gehen wird und dass die vorhandenen Schäden, die ebenso in der Zeit wie in der Volksart wurzeln, allmählich überwunden werden.“

Im April waren wir einst in Prezelle eingezogen, wiederum im April nach zwölf Jahren verliessen wir Prezelle mit Dank für die schönen Jahre, die wir dort und in der ganzen Gegend hatten verleben dürfen."
Archiv-ID: 4380321
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