"Das Portrait" über Ernst Schoepe als Leiter der Bücherei
Artikel in der Schülerzeitung "Durchsage" des Gymnasium Lüchow aus dem Jahr 1967, geschrieben von Axel Plume, 13s
"In dieser Folge möchten wir den Leiter der Bücherei, Herrn Ernst Schoepe vorstellen.
Herr Schoepe ist Ostpreusse. Er wurde im Jahre 1905 in einem Forsthaus der Rominter Heide, dem grössten Jagdrevier Ostpreussens, geboren. Sein Vater war Förster und wurde als Beamter sehr oft versetzt. So lernte Ernst Schoepe seine Heimat sehr genau kennen. Noch heute besitzt er eine besondere Vorliebe für den Wald.
Die Vermögensverhältnisse des Vaters gestatteten leider nicht den Besuch einer höheren Schule. Er ging bis zu seinem 14. Lebensjahr auf eine Volksschule.
Schon sehr früh hatte er den Wunsch, Lehrer zu werden. Deshalb ging er nach Abschluss der Volksschule auf die Lehrerbildungsanstalt und besuchte anschliessend das Seminar. Sein Jahrgang ist einer der letzten, der die Seminarlehre durchlaufen hat. Seit 1929 sind die Lehrerausbildungen an der Akademie. 1926 unterrichtete er erstmals eine Schulklasse.
Mit 28 Jahren schloss er sich der HJ an, um nicht der SA beitreten zu müssen. Bei Kriegsausbruch war er in Warthenburg(Ostpr.). Die sechs Jahre seiner Gefangenschaft wertet er als ein grosses Plus für sein späteres Leben, denn in dieser Zeit lernte er die Menschen in grösster Not kennen und verstehen.
1949 wurde er aus der Gefangenschaft entlassen und kam nach Lüchow, wohin seine Familie geflüchtet war.
In Lüchow hat er 18 Jahre lang an der Volksschule unterrichtet und ist am 1. August 1967 aus Gesundheitsgründen in den Ruhestand getreten.
Wie ist er nun zur Bücherei gekommen? Nach dem Kriege, um 1950 herum, wurde in Lüchow die "Literarische Gesellschaft", eine private Buchgemeinschaft , deren Anfänge bis zur Jahrhundertwende zurückgehen, wieder zum Leben erweckt. Vorsitzender war damals Herr Studienrat Arlt. Als dessen Nachfolger, Herr Bandelow, versetzt wurde, trat dieser an Herrn Schoepe heran und fragte ihn, ob er die Leitung der Bücherei übernehmen möchte. Das war im Jahre 1962, ist also schon 5 Jahre her. Inzwischen hat Herr Schoepe die "Literarische Gesellschaft" mit der Kreis- und Stadtbücherei vereinigt, die vor einigen Monaten in ihr neues Gebäude gegenüber unserer Schule umgezogen ist.
Dieser Neubau hat sich bis jetzt sehr positiv ausgewirkt. So ist z.B. der Leserkreis wesentlich grösser geworden. Während im ersten Halbjahr 1967 nur 68 neue Leser aufgenommen worden sind, sind es seit dem Umzug schon über 300 Neuzugänge. Nicht mitgezählt sind diejenigen, die sich keine Bücher entleihen, sondern nur zum Lesen in die Bücherei kommen.
Für diesen ständig wachsenden Leserkreis will Herr Schoepe ein sehr breites Angebot zur Verfügung haben. Er nimmt sich für die Auswahl der Bücher, die neu angeschafft werden sollen, sehr viel Zeit, um möglichst eine breite Schicht der Leserwünsche berücksichtigen zu können. Die Mittel für die Anschaffungen, die in der Regel mehrere tausend Mark umfassen, stellen Land, Kreis und Stadt gemeinsam zur Verfügung.
Ein besonderes Anliegen hatte Herr Schoepe an uns Gymnasiasten. Er glaubt, dass wir wesentlich mehr "zum guten Ton des Hauses beitragen können," denn er kann es zum Beispiel nicht erlauben, dass Fahrschüler nur in die Bücherei kommen, um dort Skat zu spielen. Er wünscht sich überhaupt ein besseres und engeres Verhältnis zu uns. Die Schüler sollten ruhig öfter zu ihm kommen, ihn offen um etwas bitten und ihre Wünsche äussern. Er sagte uns zum Schluss: "Ich würde mich freuen, wenn ich sagen könnte, jeder, der dieses Haus betritt, gehört zu meinem Freundeskreis. Ich möchte allen begegnen wie guten Bekannten."
Die Geschichte der Bücherei, dokumentiert in mehreren Artikeln der EJZ
EJZ vom 26.5.1966
Lüchow. Platznot in der Lüchower Kreis- und Stadtbücherei! Die augenblicklich 9000 Titel umfassende Bibliothek im ersten Stock des Polizeigebäudes droht "aus den Nähten zu platzen", so daß ein Neubau erforderlich wird. Nach den Worten des Leiters der Bücherei, Lehrer Ernst Schoepe, liegen die Pläne bereits vor, doch ist die Finanzierung noch nicht gesichert. Gedacht ist an eine Erweiterung der Bibliothek auf rund 20 000 Bände.
Vom Klassiker bis zum nouveau roman, von leichter Unterhaltung bis zum spannenden Krimi, vom Kinder- und Jugendbuch bis zur anspruchsvollen Fachliteratur findet die Leseratte alles in den Räumen dieser Bücherei. Lehrer Schoepes ganze Liebe gilt den Büchern, sein Hobby ist die Bücherei, die er, unterstützt von seiner Frau Martha und einigen Schülern, zweimal wöchentlich offenhält. Man fährt gut, sich bei der Auswahl eines Werkes von Ernst Schoepe beraten zu lassen, kennt er doch die meisten der zur Verfügung stehenden Bände.
"Der weitschauende Mensch will sich orientieren", sagt der Leiter der Bibliothek, "deshalb legen wir Wert auf eine breite Streuung der Literatur in unserem Hause".
Kaum ist man mit Lehrer Schoepe ins Gespräch gekommen, da hat er schon ein Dutzend Bände zur Hand. Zu jedem der Bücher hat er ein besonderes Verhältnis, zu jedem kann er eine Fülle von Einzelheiten sagen. In einer Leseprobe stellt er uns Ilse Aichinger vor, eine moderne Autorin, deren Werke er in die Gruppe des "Nonsens-Romans" einstuft. Trotz ihres schlüpfrigen Inhalts findet "Die Bastardin" von Violette Leduc Anerkennung bei Ernst Schoepe, weil das Buch in seiner geschliffenen Sprache besticht.
Der Leserkreis setzt sich aus Menschen der verschiedensten Schichten, aus allen Altersklassen zusammen. Die Schüler bilden ein wichtiges Kontingent, aber auch Hausfrauen, Rentner, Berufstätige bis hin zu dem berühmten "Mann auf der Straße" sind Kunden der Bücherei. Neben einem festen Stamm von etwa 200 Lesern nehmen 150 Leser die Bibliothek gelegentlich in Anspruch. 8 000
Bücher wurden im vergangenen Jahr entliehen, zwischen 50 und 200 sind es an jedem Öffnungstage. Seit Beginn des Jahres sind schon wieder 57 neue Leser zu verzeichnen.
Die Bücherei repräsentiert einen beachtlichen Wert, Lehrer Schoepe schätzt ihn auf 100 000 Mark. Die wertvollsten Bücher kosten nur wenig unter 200 Mark, Sammlungen wie der "Große Brockhaus“ natürlich erheblich mehr. Bücher, die auch dem anspruchsvollen Leser zu teuer werden, sind hier zu finden, erdkundliche Werke, Kunstdruck-Bildbände oder Faksimiles. Der Reiselustige findet ebenso seinen Campingführer, wie der politisch Interessierte bereits jetzt Werke zum Vietnam- oder Zypern-Problem. Die Naturkunde ist stark vertreten, auch die technische Rubrik ist gut ausgebaut, und manch einer, der vor einer Prüfung steht, kann hier wertvolle Helfer finden.
Werke aller bedeutenden Staatsmänner stehen in dem Regal mit dem Themenkreis „Politik, Gesellschaft, Staat und Recht“, da sind Lenin und Stalin vertreten, und da stehen Theodor Heuß und Konrad Adenauer beisammen. Bert Brecht ist noch nicht vollständig, dafür natürlich die Klassiker. Heinrich Böll nimmt viel Platz ein, Günther Graß hat nicht die Gnade des Leiters gefunden, der sich auf den großen Buchmessen regelmäßig über die Neuerscheinungen informiert. Graß kann dem Bücherfreund aber auch von anderen Bibliotheken besorgt werden, genau wie Werke, die weniger gefragt sind. Lüchows Bücherstuben halten für jeden etwas bereit, und zu einem guten Buch zu greifen, ist nicht die schlechteste Unterhaltung. jn
EJZ vom 17.8.1967
Hochbetrieb herrscht schon in den Räumen der neuen Kreis- und Stadtbücherei in Lüchow, die am kommenden Dienstag um 15 Uhr offiziell eingeweiht wird. Büchereileiter Ernst Schoepe ist mit Schülerinnen und Schülern dabei, die vielen Bände, die bislang in Räumen des Polizeigebäudes untergebracht waren, in Waschkörben nach nebenan zur neuen Bücherei im Lüchower Schulzentrum zu transportieren und sie auf den neuen Regalen einzuordnen. In der nächsten Woche wird die Bücherei für Leseratten jeder Altersstufe ihre Türen öffnen. Es ist wahrscheinlich, daß die Öffnungszeiten, bislang dienstags von 16 bis 18 Uhr und freitags von 16 bis 19 Uhr, geändert werden.
EJZ vom 11.11.1967
2238 Leser sind zur Zeit bei der neuen Lüchower Kreis- und Stadtbücherei eingeschrieben. Seit August — nach Einzug in das von Schülern scherzhaft als "Bücherbunker" bezeichnete neue Haus — stieg die Leserzahl rapide: von 1818 auf 2238. Während in der ersten Hälfte des Jahres nur 50 neue Leseratten hinzukamen, waren es in den vergangenen zwei Monaten über 400. Zum größten Teil sind es Schüler, die sich in der Bücherei mit Lesestoff versorgen. Sie kommen aus Hitzacker, Schnackenburg, Clenze und vielen anderen Orten des Landkreises; auch das Einzugsgebiet der Bücherei hat sich vergrößert. Mit dem Ansteigen der Leserzahlen steigt der Bedarf an Büchern. Büchereileiter Ernst Schoepe meinte, daß es vor allen Dingen noch an Fachbüchern fehle. Wer jedoch dringend ein Buch benötigt, das in Lüchow nicht vorhanden ist, dem kann es über den regionalen Leihverkehr in Niedersachsen vermittelt werden. In knapp vierzehn Tagen ist das gewünschte Werk da.
EJZ vom 15.4.1970
Kurz notiert
Lüchow. Die von Lehrer Schoepe geleitete Kreisbücherei sucht zur Ergänzung ihrer heimatkundlichen Bestände zur Zeit vor allem ein Exemplar der Dannenberger Ortsgeschichte, eine Sammlung von Nachrichten über die Stadt Dannenberg und deren Umgebung von Bürgermeister Koch-Dannenberg (1892).
EJZ vom 8.12.1971
Im Namen des Volksbildungswerkes soll nicht versäumt werden, dem Leiter der Bücherei für die Einladung zu dieser Ausstellung zu danken. Ernst Schoepe konnte am 1. Dezember dieses Jahres unbemerkt von der Öffentlichkeit auf eine zehnjährige Tätigkeit im Büchereiwesen des Kreises zurückblicken. Er hat sich in dieser Zeit als Freund und Berater großer und kleiner Leser erwiesen und ist für alle literarisch interessierten und engagierten Kreisbewohner eine vertraute Erscheinung geworden. Darüber hinaus hat er sich nach dem Einzug ins neue Haus immer wieder darum bemüht, die Bücherei zu einer Stätte der verschiedensten Bestrebungen und Tendenzen der Bildenden Kunst zu machen.
EJZ vom 9.4.1974
Lüchows Bücherei immer attraktiver
22 000 Bände in den Regalen - Im vorigen Jahr über 67 000 Ausleihungen
Lüchow. Lesen wird wieder attraktiv. Die Lesebeteiligung in der Bücherei in Lüchow stieg im Jahr 1973 um 22 % gegenüber 1972, Immer mehr Menschen entdecken das Buch als Unterhalter und Informationsspender. Auch das Fernsehen— rnan mag es kaum glauben glauben — fördert diese Entwicklung, indem es in einigen Sendungen auf Bücher hinweist und das Publikum neugierig macht. Noch überwiegen in Lüchow die jugendlichen Leser und Benutzer, aber 1973 waren hier schon 40 Prozent aller Leser Erwachsene.
Langsam wandelt sich auch das Image der Büchereien. Man sieht sie nicht mehr nur als reine Leihinstitute an, sondern man ergreift Besitz von dem geistigen Stoff, der angeboten wird. Im Durchschnitt finden sich in der Lüchower Bücherei täglich etwa 30 Besucher ein, die an Ort und Stelle wissenschaftlich arbeiten und natürlich nicht als „Leser“ registriert werden. Sie entnehmen den für sie wichtigen Büchern Informationen für eine Prüfung, Jahresarbeit oder sonstige Schriften. Aus der heimatkundlichen Abteilung, die von Lehrer Schoepe eingerichtet wurde, haben sich sogar schon Ausländer Material für Studienaufgaben oder Informationen geholt. In der Bücherei selbst ermöglichen viele Tische und Sitzgelegenheiten ein konzentriertes Arbeiten. Nicht selten finden sich bis zu 100 Jugendliche ein, die entweder nur in den Bücher stöbern oder auch Schularbeiten machen.
1973 hat die Bücherei 1500 feste Leser registriert, in der Fahrbücherei waren es 2300. Mit dem Bestand der Fahrbücherei zusammen stehen dem Leser 22 072 Bücher zur Verfügung. Insgesamt wurden im letzten Jahr 2663 Bücher angeschafft, sie setzen sich zusammen aus 617 Romanen, 616 Sachbüchern und 1430 Jugendbüchern. Ausgeliehen wurden im vorigen Jahre 67.261 Bände. So ist also fast jedes Buch dreimal In anderen Händen gewesen.
Seit 1971 werden Niedersachsens Büchereien auch wieder vom Land unterstützt, die finanzielle Seite sieht trotz der Hilfen von Stadt, Land und Bund sehr mäßig aus. Eine Menge Geld ist nötig, um eine Bücherei auf dem Laufenden zu halten. Daß nicht jedes Buch angeschafft werden kann, ist verständlich. Trotzdem ist auch dem Lüchower Leser jedes Buch zugänglich, da es durch den überregionalen Lesedienst beschafft werden kann. Es dauert oftmals recht lange, bis eine Neuerscheinung in der Bücherei vorliegt. Der Grund findet sich in den Registrier- und Katalogisierverfahren, die jedes Büchereibuch durchlaufen muß. Die zentrale Registrierstelle ist in Lüneburg.
Man sollte doch mal den Versuch unternehmen, etwas Passendes in der Bücherei zu finden. Das Angebot ist groß genug. Und manch einer wird nach einem Besuch, der vielleicht nur zur "Information“ diente, immer wieder die gemütliche Lüchower Bücherei aufsuchen, um neuen "Stoff“ mitzunehmen. Ein Buch kann im Laufe der Zeit zu einem guten, unentbehrlichen Freund werden. Und das Beste daran ist, man kann seinen Interessen entsprechend sich unterhalten oder informieren, man wählt immer nach seinen eigenen Wünschen aus. cb