Lüchow
Junkerstraße 7
Datum: 1929
Zeitraum: 1919 - 1932
Das erste Geldinstitut der Stadt Lüchow war die 1854 gegründete „Sparkasse der Stadt Lüchow“. Ihr folgte 1869 die Bank des „Landwirtschaftlichen Creditvereins für
das Wendland“. Die Bank wurde als Kommanditgesellschaft auf Aktienbasis betrieben. Eine Aktie hatte damals einen Nennwert von 200 Talern.
Das Schild in dem Fenster links neben der Eingangstür weist auf die Kassenstunden hin: Vormittags 8-1, Nachmittags 3-5 und Sonnabend 8-1 Uhr.
Von 1950 bis Anfang der 80er Jahre nutzte die Samtgemeinde Lüchow das Gebäude. Im Erdgeschoss war die Samtgemeindekasse untergebracht und im Obergeschoss befanden sich Wohnungen. In den 50er Jahren war im
hinteren Teil des Erdgeschosses ein Werkraum für die Lüchower Mittelschule eingerichtet. Seit etwa 1990 wird das Gebäude durch das Modehaus Borghaus genutzt.
Hans-Jürgen Böckler kommentierte am 12.01.2015
Der Werkraum wurde bis zum Umzug der Realschule Ende 1969 genutzt.
Aus einer Jubiläumsbroschüre von Juni 1929 stammt folgende Passage. Das Foto von Ernst Stock wurde dort verwendet und wahrscheinlich dafür im Auftrag von ihm angefertigt.
Als Geschäftsraum diente der Sparkasse jahrzehntelang das Kämmereikassenlokal neben dem Rathause. Diese Verbindung war ohne weiteres durch die gemeinsame Verwaltung der Sparkasse und der Kämmereikasse gegeben. Erst mit der Trennung beider Kassen im Jahre 1907 erhielt die Sparkasse ihren eigenen Raum in diesem Gebäude, der sich aber mit der Ausdehnung der Kassengeschäfte und dem dadurch bedingten Anwachsen des Personals immer mehr als unzureichend erwies. Im Jahre 1925 entschloß sich daher die Stadtverwaltung zum Ankauf eines eigenen Geschäftsgrundstücks in der Junkerstraße, das 1926 für die Zwecke der Sparkasse umgebaut, mit einer modernen Stahlkammeranlage versehen und am 15.12. desselben Jahres in Benutzung genommen wurde. Nun nennt die Sparkasse schöne ausreichende Geschäftsräume ihr eigen und hat damit räumlich für die Entwicklung auf lange Zeit vorgesorgt. (Siehe ID 61568 und 61567)
Hier der weitere Textblock aus der Broschüre mit der Geschichte der Sparkasse von 1854 bis 1929:
Vorwort: Anfang Juni 1854 wurde die Sparkasse der Stadt Lüchow errichtet, sie besteht also nunmehr 75 Jahre. Dieser Anlaß dürfte wohl geeignet sein, der Entwickelung dieser Kasse kurz zu gedenken, und diesem Zwecke soll diese kleine Schrift dienen. Eine wechselvolle Zeit schließen die vergangenen 75 Jahre ein, die Einigung und den Aufstieg unseres deutschen Vaterlandes und den Weltkrieg mit seinem unglücklichen Ausgange. Dieser Linie folgte auch die Entwickelung unserer Kasse. Wir sehen bis zum Jahre 1914 ein gesundes Aufsteigen, so daß die Kasse am Ende dieses Jahres den achtungswerten Einlagebestand von rund 6 Millionen Mark aufweisen konnte. Die dann folgende Inflation machte einem grausamen Erwachen Platz, als mit der Stabilisierung Ende 1923 die gewaltige Zahl von 304 Billionen Mark in 304 Rentenmark zusammenschrumpfte. Erfreulicherweise haben die dann folgenden Jahre ein zwar langsames, aber stetiges Wiederaufsteigen gebracht, so daß die Kasse schon heute wieder ein wichtiges Glied auf dem Geldmarkte unseres Bezirkes geworden ist. Möge ihr auch künftig eine weitere aufblühende Entwickelung beschieden sein, zu Nutzen unserer engeren Heimat und unseres Vaterlandes.
Lüchow, im Juni 1929.
Der Sparkassenvorstand.
Unsere Stadt Lüchow ist von alters her ein regsamer Ort gewesen. Handel und Handwerk blühten und die Landwirtschaft brachte auf die Wochenmärkte einen bedeutenden Verkehr. Nachdem sich die Stadt von den Schäden der Franzosenzeit, in welche auch der große Brand 1811 fiel, erholt hatte, kam neues Leben in die nun in neuzeitlicher Art erbaute Stadt. Der Verkehr nahm erheblich zu, zudem wurde die Landwirtschaft in neue, nutzbringendere Bahnen gebracht und dem Flachsbau und der Leinenherstellung in häuslichen Betrieben eine erhöhte Förderung durch Errichtung der Legge zu Teil. Es sei in diesem Zusammenhänge nur erwähnt, daß bereits Anfang der Fünfziger Jahre in der Legge zu Lüchow über 1,5 Millionen Ellen Leinen vermessen und an die Lüchower Händler abgesetzt wurden. Im Jahre 1854 betrug der Wert des hier vermessenen und abgesetzten Leinens 132.628 Taler oder rund 400.000 M. So sah die Zeit um 1850 unsere Stadt im Zeichen eines gesunden Fortschrittes. Das Jahr 1854 aber verwirklichte mehrere große Ideen zugleich. Nicht nur private Unternehmen von Bedeutung, wie der Bau einer chemischen Fabrik, und einer Dampfölmühle, die Gründung eines Lokalblattes der „Zeitung für das Wendland“ auf Aktien, sowie eine Tiefbohrung nach Salzen sind für damalige Verhältnisse bemerkenswert, sondern auch gemeinnützige Bestrebungen von hohem Einfluß auf die Volkswohlfahrt unseres gesamten Kreises nahmen Gestalt an. Der Landwirtschaftliche Verein wurde am 4. Februar gegründet, und die vom Magistrat und Bürgervorsteherkollegium längst erstrebte städtische Sparkasse nahm feste Formen an und trat nach langwierigen Beratungen Anfang Juni ins Leben.
Unbegreiflich muß es uns heute erscheinen, daß bis dahin keine Sparkasse im Wendlande tätig war und daß der aus der Wirksamkeit solcher Anstalten fließende Segen uns solange vorenthalten blieb. Außer dem Koffer unserer wendischen Bauern war kein Behälter da, der die Ersparnisse aufnahm. In diesem Koffer wurden mit Vorliebe die blanken Ein- und Zweitalerstücke hinterlegt; man nannte das hier „in de Kant leggen“. Diese Talerstücke häuften sich oft zu größeren Beträgen an, lagen nutzlos da, trugen keine Zinsen und wurden dem Verkehr entzogen. Vereinzelt wurden wohl die Gelder, um sie vor Diebstahl zu sichern, Geschäftsleuten in der Stadt zur Aufbewahrung übergeben, eine Verzinsung wurde aber nicht beansprucht, vielmehr noch eine Vergütung für das Aufbewahren in Gestalt von Brennholz, Torf oder Landesprodukten gewährt. So entsprach die Gründung einer Sparkasse einem allgemeinen Bedürfnis.
Der erste Vorstand der Sparkasse bestand aus dem Bürgermeister Guse und den Bürgervorstehern Kaufmann Heinrich Schultz, in Firma P. F. Schultz und Sohn, und dem Brauereibesitzer Hüls. Die Entwicklung der Kasse ging zunächst nur langsam vor sich. Ende 1854 waren erst 151 Einzahlungen mit 2485 Talern gemacht, davon wurden im Laufe des Jahres wieder abgehoben 421 Taler, so daß am Jahresschlusse ein Spareinlagenbestand von 2064 Talern vorhanden war.
Die Spargelder setzten sich zum größten Teile aus Mündelgeldern und Lohn für Dienstboten zusammen, während Bürger und Landleute noch zurückhaltend blieben. Aber schon in den nächsten Jahren nahm die Kasse einen großen Aufschwung. Im Jahre 1858 hatte der Einlagenbestand schon annähernd 20.000 Taler und 1865 die ansehnliche Summe von 112.033 Talern erreicht. So machte die Kasse stetigen Fortschritt. 1870 wies der Einlagenbestand bereits 196.265 Taler, 1874 429.174 Taler auf. Mit dem Jahre 1875 beginnt die Umstellung auf Markrechnung. Die weitere Entwickelung der Sparkasse ergibt die nachstehende Nachweisung. Das Anwachsen der Kasse schritt ununterbrochen fort, so daß 1914 ein Einlagenbestand von fast 6 Millionen und 1918 ein solcher von mehr als 8 1/4 Millionen vorhanden war. Der Reservefonds belief sich damals auf 368.313 Mark und es waren bis dahin an die Stadtgemeinde rund 517.000 Mark Überschüsse im Laufe der Jahre abgeführt.
In den ersten 20 Jahren wurde die Sparkasse durch die Kämmereikasse mit verwaltet. Die Verwaltungskosten waren sehr gering und betrugen im Jahre 1862 nur 129 Taler, 18 gute Groschen und 4 Pfennige. Die Verzinsung der Spareinlagen erfolgte damals mit 3 %. Besondere Beamte wurden damals nicht gehalten.
Erst im Jahre 1875 wurde mit dem Rechnungsführer A. Döbbecke ein besonderer Sparkassenbeamter angestellt. Eine völlige Personaltrennung von der Kämmereikasse fand aber erst im Jahre 1907 statt, als die Kasse bereits über eine Einlage von mehr als 5 Millionen Mark verfügte.
In den Kriegsjahren erwuchsen der Kasse besondere Aufgaben durch die Kriegsanleihe. Aus ihren eigenen Mitteln zeichnete die Sparkasse für die aufgelegten 9 Anleihen rund 6 Millionen Mark, das sind annähernd 3/4 ihres Gesamteinlagebestandes. Von ihren Kunden wurden bei der Sparkasse ferner gezeichnet rund 2 1/2 Millionen Mark Kriegsanleihe, insgesamt betrugen die Zeichnungen 8.537.000 M. Das ist gewiß eine achtungswerte Leistung, und man erkennt daraus, daß auch die Sparkasse bemüht gewesen ist, zu ihrem kleinen Teil dem Vaterlande zu dienen.
Die nun folgende Inflationszeit mit ihrem ungeheuren Zahlengewirr ist eine trübe Erinnerung. Mit rund 304 Billionen Mark schloß die Sparkasse Ende 1923 ab, und beim Erwachen nach der Stabilisierung waren aus dieser unvorstellbaren Zahl ganze 304 Rentenmark geworden. Hiermit ging es an den Wiederaufbau. Wie schwer diese Zeit war, liegt noch in frischer Erinnerung. Aber daß auch diese Not überwunden wurde und es der Kasse gelang, wieder Vertrauen bei ihren Kunden zu gewinnen, zeigt die dann folgende Entwicklung. Überaus segensreich hat die Kasse namentlich in den Jahren nach der Stabilisierung wirken können und wohl nach Kräften dazu beigetragen, der heimischen Landwirtschaft und Geschäftswelt den Wiederaufbau zu ermöglichen. Am 1.6.1929 waren die Spareinlagen bereits wieder auf 762.525 RM angewachsen, wozu noch 114.391 RM Guthaben im Scheckverkehr kommen. Die aufgewerteten Einlagen der Sparkasse stellen sich auf 731.491 RM, von denen annähernd 200.000 RM an Einleger im Laufe der Jahre zurückgezahlt wurden. Eine Leistung, die die Sparkasse besondere Anforderungen stellte.
Hatte sich bis Ende 1918 die Sparkasse in der Hauptsache auf reinen Sparverkehr beschränkt, so wurden, den Erfordernissen der Zeit folgend, im Jahre 1919 der Scheck- und Überweisungsverkehr und das Wechselgeschäft eingeführt, die zunächst nur mäßig einsetzten, nach der Inflation aber einen lebhaften Charakter annahmen und heute den Hauptbetrieb der Sparkasse darstellen. Im Jahre 1920 wurde ferner die offene Depotverwaltung noch aufgenommen, die gleichfalls zu einer erheblichen Erweiterung des Kundenkreises führte. Damit beginnt eine völlige Umstellung der Kasse vom einfachen Spar- und Leihgeschäft zu bankmäßigem Verkehr. Auch das Kreditgeschäft veränderte sich grundlegend. Der Personalkredit, der bis dahin nur eine untergeordnete Rolle gespielt hatte, entwickelte sich mehr und mehr. Wenn die Sparkasse früher ihre Gelder in der Hauptsache in Hypotheken und Wertpapieren angelegt hatte, so liegt nunmehr das Leihgeschäft überwiegend in der Hergabe von Krediten in laufender Rechnung oder gegen Wechsel. Im Jahre 1913 hatte die Sparkasse bereits in ihrer Stahlkammer eine große Anzahl vermietbarer Schrankfächer aufgestellt, die von der Kundschaft gern benutzt werden. Um auch der Jugend eine wirksame Anregung zum Sparen zu geben, wurde im Jahre 1926 eine Schulsparkasse eingeführt und im Jahre 1927 wurde die Ausgabe von Heimsparbüchsen hinzugenommen.
Dem Hannoverschen Sparkassenverbande gehört die Sparkasse seit dem Rechnungsjahre 1887/88 an. Die erste Verbandsrevision wurde durch den Sparkassendirektor Märtens aus Lüneburg im Jahre 1890 vorgenommen. Mit der Einführung des losen Kontensystems im Jahre 1908 begann die Umstellung der Buchführung nach dem Verbandsmuster. Im Jahre 1927 wurde sie weiter verbessert durch Einführung der sogenannten doppelten amerikanischen Buchführung, die sich gut bewährt hat und jederzeit einen genauen Überblick über den Stand der Sparkasse gestattet.
So ist die Sparkasse der Stadt Lüchow stets bemüht gewesen, den Erfordernissen der Zeit Rechnung zu tragen. Heute im 75. Jahre ihres Bestehens blickt sie auf eine segensreiche Arbeit im Interesse des heimatlichen Wirtschaftslebens zurück und wird bestrebt bleiben, auch in den kommenden Jahren ihrem Kundenkreis und damit dem Wohle der Allgemeinheit zu dienen.
Autor/-in:
Ernst
Stock
Quelle:
Inge
Pehlke
Archiv-ID: 15435