Platenlaase
Datum: 25. April 1987
Zeitraum: 1981 - 1990
Bildunterschrift in der EJZ vom 28.4.1987:
STIMMGEWALTIG beeindruckte Tamara Danz, Sängerin der DDR-Band "Silly", das Platenlaaser Publikum. In ihrem Heimatland bezeichnen Musikkritiker die junge Frau hochachtungsvoll als die "weiße Tina Turner".
Weil es ein besonderes Ereignis war, dass anderthalb Jahre vor der Wiedervereinigung eine DDR-Band im Landkreis auftreten konnte, veröffentlichen wir hier erneut den gesamten damaligen Bericht von Jörg Rehbein aus der EJZ vom 28.4.1987:
Rock und Jazz aus Ost und West
„Silly“ und „Taxido“ gemeinsam auf der Bühne - NDR-Femsehen filmte mit
Platenlaase. Zwei Bands, die nacheinander an einem Abend spielen, das ist eigentlich nichts ungewöhnliches. Wenn eine Jazz-Formation, deren Kompositionen avantgardistische Augenblicke mit besinnlichen Passagen verbinden und eine Rockband, deren exaltiertes Auftreten einhergeht mit perfekter musikalischer Darbietung und deutschen Texten, zusammen auftreten, dann werden Konzertgänger schon aufmerksam. Noch seltener als die Mischung aus Jazz und Rock, ja geradezu ungewöhnlich, war die Situation beim Konzertabend am Wochenende im Platenlaaser Café „Grenzbereiche“. Da standen "Taxido" - eine bundesdeutsche Jazzband aus Lüchow-Dannenberg - und "Silly" - eine Rockformation aus der DDR - gemeinsam auf der Bühne.
Dieses im Rahmen des deutsch-deutschen Kulturabkommens geförderte Konzert fand auch bei Funk und Fernsehen Aufmerksamkeit. Drei Kameras, ungewöhnlich viel Licht und ein beachtlicher Aufwand an Tontechnik forderten im ohnehin nicht großen Saal der „Grenzbereiche“ räumlichen Tribut. Das tat der Stimmung der rund 150 Zuschauer allerdings keinen Abbruch.
Den Anfang machte "Taxido", deren musikalisches Können ohnehin schon lange eine Multiplikation via Fernsehen oder Radio verdient hatte. Matthias Glasen (Saxophon und Querflöte), Joachim Goerke (Piano), Jockel Siemers (Schlagzeug) und Axel Barth (Baß) hatten ihr Programm mit zahlreichen neuen Stücken bereichert, faszinierten durch brillante Technik und die hohe Kunst der Improvisation. Daß die vier Musiker einen Vergleich mit anderen deutschen Formationen nicht scheuen müssen, bewies der gelungene Auftritt, den "Taxido“ erst nach der dritten Zugabe beenden durfte.
Hektisch wurde dann mit Hilfe der Roadies von "Silly" das Jazz-Intrumentarium von der Bühne geschafft, um Platz zu machen für die Musiker aus der DDR. Profis traten da ins Rampenlicht, durchgestylt von den lackledernen Schuh- bis in die hochtoupierten Haarspitzen. Der gewaltige Sound der riesigen Lautsprecher machte den Zuhörern schnell klar: Jetzt kommt Rockmusik.
Was da aus den Boxen kam, war allerdings nicht jener monoton-dumpfe Krach, mit dem so manche bundesdeutsche Band ihr Geld verdient. Im Gegenteil. Die Silly-Musiker verstehen ihr Handwerk, haben alle Musik studiert, denn sonst gäbe es in ihrem Heimatland keine Auftrittsmöglichkeiten. Schlagzeug, Keyboards, zwei Gitarren, der Baß und die dominierende Stimme von Tamara Danz wurden zu einer perfekten Einheit.
Die Band, die in der DDR seit Jahren die Schallplattenpreise abonniert zu haben scheint, macht sich nun auch in der Bundesrepublik einen Namen. In der DDR spielt "Silly“ stets vor Tausenden von Zuhörern. Gitarrist Hans-Thomas Fritzsching gefiel aber die intime Atmosphäre der "Grenzbereiche": "Es war toll und hat viel Spaß gemacht."
Kaum hatten die Musiker Luft geholt nach ihrem anstrengenden Auftritt, da forderte erneut das Fernsehen sein Recht. Interviewtermin auf der Bühne. "Taxido" und "Silly", West und Ost, in trauter Einigkeit vor dem Mikrofon von Ulrich Fiedler, dessen Beitrag am 4. Mai ab 19.15 Uhr im "Hallo Niedersachsen" des 1. Fernsehprogramms zu sehen ist.
Was da gefragt und geantwortet wurde, konnten die interessierten Zuschauer leider nicht hören. Der Interview-Ton wurde nicht in den Saal übertragen, und die Tabuzone der Fernsehkameras verhinderte ein Herantreten an die Bühne.
Genaues erfährt man also erst am kommenden Montag. Sicher werden die Musiker ein solches deutsch-deutsches Konzert gerne wiederholen. "Silly" spielt am 19. Juni auf einem großen Open-air-Konzert in Salzwedel. Warum sollte auf den Plakaten in unserer Nachbarstadt nicht auch "Taxido" angekündigt werden?
Autor/-in:
Jörn
Rehbein
Quelle:
Claus
Kofahl
Kunst und Kultur
Archiv-ID: 60319