Abtransport des zerteilten Motorschiffes "Kurier"

Gorleben
Datum: 17. November 1958
Zeitraum: 1946 - 1960

EJZ vom 18.11.1958:

Schiff fuhr über Land
Geflohenes Zonenschiff wurde zerlegt — Im Spezialtransport nach Lauenburg

G o r I e b e n . Gestern morgen trat das frühere ostzonale Motorschiff "Kurier“, dessen Besitzer den Hafen von Gorleben angelaufen und in der Bundesrepublik um Asyl nachgesucht hatte, von Spezialtransportern der Bundesbahn aufgeladen, den zweiten, zwar weniger gefährlichen, dafür aber umso umständlicheren Teil seiner Reise in die Freiheit an. Werftarbeiter aus Lauenburg hatten in den letzten Tagen den Schiffskörper des 230 Tonnen großen Frachtschiffes auseinandergenietet, das nun in zwei Teilen auf dem Landwege nach Hoopte transportiert wird.
Schon in den frühen Morgenstunden war eine Schwerstlasten - Transportgruppe der Bundesbahndirektion Hamburg mit zwei schweren Zugmaschinen und einem „Kuhlemeyer“ eingetroffen, auf den das rund 30 Tonnen schwere Vorderschiff aufgeschweißt wurde. Dann zogen die beiden Zugmaschinen und das Schiff war geteilt. Da auf dem feuchten Wiesengrund am Golebener "Hafen", auf den man das Schiff bei Hochwasser gesetzt hatte, diese 30 Tonnen Last nur sehr schwer zu bewegen waren, dauerte es fast zwei Stunden, bis man den ersten Teil des Schiffes auf der festen Straße hatte.

Im 5-Kilometer-Tempo ging dann die Fahrt, die von einem Verkehrskommando der Polizei besonders gesichert wurde, über Gartow—Trebel nach Lüchow weiter. Der 26 Meter lange Schiffsteil, der 5.20 Meter breit ist, benötigte die gesamte Straßenbreite und zwang die Polizei, stellenweise den gesamten Verkehr zu sperren. Über Uelzen und Lüneburg wird die erste Hälfte des „Kurier“ im Laufe des heutigen Tages und der Nacht wieder an die Elbe transportiert und bei Hoopte im Kreise Harburg zu Wasser gelassen. Von dort wird es ein Schlepper zur Werft Heidelmann nach Lauenburg bringen. Am Donnerstag wird voraussichtlich der zweite Schiffsteil auf demselben Wege folgen, dann wird in Lauenburg das Schiff wieder zusammengebaut und kann seine Fahrt fortsetzen.

Der gewaltige Aufwand für die Weiterfahrt des geflohenen Zonenschiffes, der finanziell etwa 20.000 DM erfordert, war notwendig geworden, weil der Schiffer allein natürlich die Fahrt auf der Elbe nicht fortsetzen konnte, ohne befürchten zu müssen, daß man ihn und sein Schiff von seiten der Zonenpolizei entern und "kassieren" würde. Um Zwischenfälle zu vermeiden, hatte man sich auf dieser Seite der Elbe nicht entschließen können, das Schiff von Wasserschutzpolizei oder Zollbooten geleiten zu lassen. Ob man die gleichen Hemmungen auch auf der anderen Seite der Elbe gehabt hätte, wenn beispielsweise ein westdeutsches Schiff in Boizenburg um "Asyl" gebeten hätte und dann in die Zone weitergefahren wäre, muß stark bezweifelt werden. (hlr)

Diese Abbildung und der Zeitungsbericht ergänzen den unter "Themen" veröffentlichten Bericht über die Flucht des Motorschiffs "Luise" von 1959.
Autor/-in:  Kurt  Schmidt (tt)
Quelle:  Axel  Schmidt
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Elbe • LKW • Schiff
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